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Lucinda Devlin

Fotografischen Serien von Lucinda Devlin
Meine Arbeit als Künstlerin besteht in der Erkundung der zeitgenössischen amerikanischen Kultur durch die psychologisch komplexe Domäne von Innenräumen. Ich stellte fest, dass räumliche Umgebungen ein kulturell einzigartiges Verständnis dafür anbieten können, wie Räume, Objekte und Artefakte in der Lage sind Bedeutung zu konstruieren.

Ich erforsche diese Ideen durch Bildserien, die gemeinsam eine Vielzahl der Sitten, Werte und Überzeugungen großer Teile der amerikanischen Kultur definieren. Ich denke, dass die Fotografien vielfältige Informationsebenen enthalten, die es ermöglichen, auf verschiedene Arten betrachtet und interpretiert zu werden.

Lucinda Devlin im Gespräch mit Kuratorin Elaine Gustafson anlässlich der Ausstellung "Sightlines" im Weatherspoon Art Museum, Greensboro, 2017
 
Salt
Bonneville Salt Flats, Utah #9,
Utah, 2021
Die in der Great Salt Desert in Utah entstandene Fotoserie Salt "kreist um das Zusammenspiel von Wasser, Himmel, Bodenoberfläche und Atmosphäre und erweist sich als eine topografische Untersuchung einer geologisch außergewöhnlichen Region. Doch auch diese Region ist mittlerweile durch schädliche Umwelteinflüsse gefährdet. Der Great Salt Lake führt immer weniger Wasser, was den Salzgehalt steigen lässt und das sensible Ökosystem ins Wanken bringt. Vor diesem Hintergrund erscheinen die ausgewogen komponierten farbästhetischen Photographien von Devlin fast wie ein Memento mori. Noch einmal entfaltet sich hier die Schönheit der Erde, suggeriert ein Gefühl von Unendlichkeit, während der Subtext längt ein anderer ist."
Claudia Schubert, Die Photographische Sammlung, SK-Stiftung Kultur
Lake Pictures,
Lake Huron,
May 10, 2011
Lake Pictures ist eine Fotoserie, die den Lake Huron zeigt, einen der Great Lakes, die den Bundesstaat Michigan einschließen. Diese Fotos wurden von Lucinda Devlin am selben Ort, allerdings zu unterschiedlichen Jahres-, Tages- und Nachtzeiten aufgenommen und erkunden dadurch die wechselnden atmosphärischen Erscheinungsformen des Sees. Sie handeln von Wasser, Himmel, Farbe, Licht, Ort, Raum und Zeit. Wenn wir einer großen Wassermasse gegenüberstehen, wissen wir rein rational, dass hinter dem Horizont noch mehr Wasser ist. Wenn wir unser Wissen ausblenden, nimmt das Wasser vor unserem inneren Auge unendlichen Raum ein. Gleiches gilt für die Betrachtung des Himmels. Er erscheint uns grenzenlos. Der Horizont als feine Demarkationslinie erlaubt dem Betrachter, zwischen Wasser und Himmel zu unterscheiden.

Ausstellung der Lake Pictures in der Galerie m Bochum, 2015
Field Culture
Hay Bale, South Dakota,
2008
Wieder in ihre Heimat, dem Mittleren Westen der Vereinigten Staaten, zurückgekehrt, ist Devlin nach ihren Innenraumaufnahmen zur Darstellung von Landschaften übergegangen. In Field Culture geht sie dem vielschichtigen Milieu der modernen Landwirtschaft nach, welche die hoch technologisierten Farmanlagen, Biochemie, Biotreibstoff und Windkraft einschließt.
Die Landschaftsformen des Mittleren Westens bilden einen ruhigen Kontrapunkt zu den dramatischeren Landschaften von Watkins, O’Sullivan und später Adams. Jeder, der im Juli Iowa durchquert hat, kann nicht umhin, sich von der bestechenden Üppigkeit und der bloßen Schönheit der voll entwickelten Korn- und Sojabohnenfelder vereinnahmen zu lassen.
Subterranea
Salt Cathedral #2,
Colombia 1985
Über 20 Jahre hinweg hat Lucinda Devlin verschiedene Länder und Kontinente bereist, um unterirdische Räume zu fotografieren. Die Aufnahmen, die Devlin für Subterranea (seit 1980) zusammenstellte, entstanden in von Menschen erschlossenen Höhlen und Gletschern und dokumentieren in Form von Handläufen, Bodenmatten, Mülleimern, Glühbirnen, Liegestühlen u.ä. dessen zeichenhafte Präsenz. Wie auch in anderen Serien hat Devlin kulturhistorische Orte gewählt, bei deren Wiedergabe sie bewusst auf die unmittelbare Darstellung des Menschen selbst verzichtet. Der kühl-distanzierte, dokumentarische Blick der Fotografin rückt die Absurdität und Skurrilität der menschlichen Eingriffe in den Vordergrund. Durch die von Hell-Dunkel-Kontrasten geprägte bildliche Präsenz vermitteln die Arbeiten außerdem ein sinnliches Gegenwartsbewusstsein.
Water Rites
Hydrotherapie, Friedrichsbad,
Baden-Baden, 1999

In Water Rites (seit 1999) erkundet Lucinda Devlin das aktuelle Kurbaden in Deutschland, das ein hoch entwickeltes Netzwerk von Kurorten aufweist, die durch eine Vielfalt von Heilverfahren, einschließlich Massagen, Hydrotherapie und Physiotherapie, medizinische und gesundheitsfördernde Leistungen anbieten.

Schon vor der klassischen Antike wurden Thermalbäder als medizinisch wirksame Orte angesehen, wo körperliche und geistige Heilung eintreten konnte, und wo Kuren für eine Vielzahl von Leiden vorhanden waren. Mitte des 19. Jahrhundert gab es eine Verlagerung dahingehend, dass die Badekurorte als Freizeitumgebung betrachtet wurden, und so entwickelte sich eine sehr präzise Abfolge ritualisierter Verhaltensweisen für den Bädergang, sowohl in sozialer als auch in medizinischer Hinsicht.

Diese Arbeit ist eine Fortsetzung der Ideen, die durch Corporal Arenas und The Omega Suites entwickelt wurden. Ob es um eine Kammer für die Todesspritze, einen chirurgischen Operationssaal oder um einen Raum für Wassertherapie geht, der Körper wird zu einem Wesen, das von außerhalb seiner Selbst stehenden Kräften kontrolliert wird. Doch in den Kurbehandlungen beginnen wir, ein Zusammenfließen des mit der Medizin assoziierten Unbehagens und des mit kosmetischen Behandlungen verbundene Vergnügens zu erkennen.
The Omega Suites
Electric Chair,
Holman Unit, Atmore, Alabama
, 1991
Die Tätigkeiten, die in The Omega Suites (seit 1991-1998) ausgeführt werden, verlangen das Äußerste an Passivität. Ursprünglich war es diese Weiterentwicklung, die mich zu den Hinrichtungsräumen führte. Ich bemerkte eine große Ähnlichkeit zwischen den Räumen, die zur Heilung und denen, die zum Töten bestimmt sind. Diese Bilder wurden nicht als Polemik gegen die Todesstrafe geplant. Doch bald erhielt das Projekt ein Eigenleben und ich wurde völlig besessen von dieser Welt der Exekution. Und so begann ich, alles über die Menschen und Institutionen, die Ausrüstungen und Rituale dieser Todesarbeit herauszufinden was ich konnte.
Lucinda Devlin

Alle Bilder der Serie The Omega Suites
Habitats
Gharial Exhibit, Bronx Zoo,
New York 1987
In den Serien Habitats (seit 1985) und Corporal Arenas (seit 1980) scheint es, als ob andere die Kontrolle innehaben. In Habitats fährt Devlin fort, künstliche Umgebungen zu erforschen, allerdings solche, die für gefangene Tiere erschaffen wurden. Unsere ironischen Versuche, verschwindende Ökosysteme künstlich zu reproduzieren, sowie die Ausbeutung von Tieren in Themenparks und als Touristenattraktion, spiegeln unsere, sich derzeit wandelnde Einstellung gegenüber Tierwelt und Natur wieder.
Corporal Arenas
Cancer Research Hospital, Rochester
New York, 1987
Corporal Arenas spricht spezifisch die Mythologie an, die die bei der Behandlung des Körpers genutzten Räume, Apparate und Technologie umgibt. Die Geräte wurden entworfen, um zu funktionieren, erscheinen dabei aber kühl, imponierend, dominierend. Diese Räume erzwingen Passivität, die uns Angst und Verwundbarkeit fühlen lässt.
Bath, Pocono Palace, Marshall's Creek,
Pennsylvania, 1980
Lucinda Devlin erkundet in Pleasure Ground (seit 1977) zeitgenössische Einrichtungen, die in erster Linie entworfen wurden, um die Mittelschicht anzusprechen. Diese Interieurs wurden gezielt für das Streben nach unzähligen Vergnügungen, manchmal kunstvoll ausgearbeitet, konstruiert. Sie veranschaulichen moderne Ansichten über Design und Materialien in einer Kultur, die zu einer flüchtigen, "Wegwerf"-Kultur geworden ist. Diese Räume enthalten einen ihnen zu Grunde liegenden Code, ein Versprechen auf Vergnügen. Die Menschen, die sich auf die von diesen Räumen angeregten Aktivitäten einlassen, behalten die Kontrolle; sie beschließen teilzunehmen und sind somit selbst aktiv in ihrem Streben nach Unterhaltung.