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Stephan Schenk

Kreuzweg
Die Serie Kreuzweg von Stephan Schenk umfasst 14 Tapisserien.

Ausstellungen:
1914/18 – Stephan Schenk, Kreuzweg, Fotostiftung Schweiz, Winterthur, 2014
Stephan Schenk | Kreuzweg, Galerie m Bochum, 2014
Kreuzweg, Dommuseum Hildesheim, 2015
Videobeitrag zur Serie Kreuzweg
Ausstellung Kreuzweg im Mauermahnmal, Berlin, 2016

Neben den großformatigen Tapisserien gibt es die Serie Kreuzweg auch als Portfolio mit 14 Silbergelatine Prints auf Barytpapier. Bei den Fotografien handelt es sich um Handabzüge des Künstlers. Mit den Mitteln der Belichtung erreichte Schenk eine besondere Schwere in der Bildwirkung.
Alle Prints haben die Maße von jeweils 55 x 41,5 cm.

Die 14 Tapisserien der Serie sind ausgehend von fotografischen Bildern, die es auch als Abzüge gibt, gefertigt und hängen mit ihrer beeindruckenden Größe von je 295 x 223 cm vor der Wand. Das Gewebte zeigt nahe und detaillierte Ansichten natürlichen Geländes: Blätter, Zweige, Erde, Gras, Wasser. Nichts verleiht den Bildern den Anschein, man habe etwas Außergewöhnliches, Spektakuläres vor Augen. Der Blick schweift ziellos über eine jeweils andere Flora. Fesselnd ist dabei zunächst die schlichte Schönheit der gewebten Naturstücke.

„[…] Stephan Schenk […] beschäftigen die Namenlosen, was er in seiner Serie Kreuzweg, 2011/12 zum Ausdruck bringt. Es sind die unzähligen namenlosen Soldaten des Ersten Weltkriegs, von denen auch sein Großvater einer war. Er kämpfte auch im Zweiten Weltkrieg, den er nicht überleben sollte. Auf diese Weise verlor der Vater von Stephan Schenk seinen eigenen Vater.
[…] Diese Arbeit [ist] eine sehr persönliche: Sein alter Herr habe nie gesprochen, berichtet der Künstler über die Wahrnehmung seines Vaters. Ein Schweigen, das fast alle Überlebenden von Kriegen befällt, als könne man für das Grauen keine Worte finden und als sei das Alltägliche zu profan, um es in Sätze zu bannen. Der Künstler hat die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges besucht und von den Bauern vor Ort erfahren, dass sie auch noch nach 100 Jahren menschliche Knochen im Boden finden.
[…] Belgien hat eine lange Tradition in der Herstellung von Gobelins, die schon im Mittelalter nicht selten von den Heldentaten der Könige und Fürsten auf ihren Kreuzzügen berichteten. Diese Tradition nimmt Stephan Schenk auf und verbindet sie mit Schauplätzen kriegerischer Auseinandersetzungen. Dabei ist das Erlebnis in der Weberei nachhaltig: Die mit den Fäden bestückten Schiffe werden mit einer solchen Geschwindigkeit durch die bis zum Bersten gespannten Kettfäden geschossen, dass der Lärm, der dabei entsteht, an das Maschinengewehrfeuer auf dem Schlachtfeld erinnert. So nimmt selbst die Produktion der Wandteppiche das ohrenbetäubende Gedonner des Krieges wieder auf.“
-Christina Leber in der Publikation zur Ausstellung Passagen der Kunststiftung DZ Bank

Die Tapisserien sprechen den Betrachter auf einer körperlich-räumlichen Ebene an, die sehr direkt und wenig distanziert ist. Dies gilt auch für die Perspektive des Blicks auf die Erde, den die Werke zeigen: Der Betrachter wähnt sich nur wenige Zentimeter von der Erdoberfläche entfernt und er ist dieser so frontal zugewandt, dass ein Oben und Unten kaum mehr auszumachen ist.

Stephan Schenk zeigt in seinen Arbeiten Ausschnitte geschichtsträchtigen Geländes. Er ist zu den einstigen Schlachtfeldern gereist und hat mit seiner Kamera die Erde der Orte festgehalten, an denen hunderttausende Menschen gestorben sind. In der reinen Anschauung der Werke formuliert sich dies nicht. Die Titel der Arbeiten aber erweitern den Blick: Sie geben an, wo die Fotografien aufgenommen wurden. Verdun, Somme, Tannenberg – diese Namen werden auch heute noch unmittelbar mit dem Ersten Weltkrieg assoziiert.

Stephan Schenks Tapisserien verzichten bewusst auf jeden Anschein von Objektivität: Die steile Perspektive und die starke Ausschnitthaftigkeit lassen keine geographische Verortung zu. Durch die Übersetzung der Fotografien in das Medium der Tapisserie konterkarieren die Werke mit den medialen Eigenschaften, die fotografischen Bildern häufig den Anschein von Objektivität verleihen: Beim Herantreten werden eben nicht mehr Details sichtbar und es handelt sich nicht um Bilder, die sich gleichsam „von selbst“ dem Stoff eingeschrieben haben.

Schenk geht vielmehr von der Annahme aus, dass ein solch traumatisches Ereignis wie der Erste Weltkrieg grundsätzlich nicht objektiv visualisierbar ist. Die Fotografien und Tapisserien der Serie „Kreuzweg“ sind daher eher als Anstoß zu einer Auseinandersetzung zu verstehen und forcieren dies auf vielfältige Art und Weise.

Außerhalb der Reihe Kreuzweg steht die Fotografie Fort I.
Auch dieses Motiv existiert als Tapisserie und Abzug. Es geht dabei um einen direkten Bezug zu Chur. Daniel von Salis-Soglio (1826-1919) aus Chur, war Feldzeugmeister in der k.u.k.-Monarchie und als Kommandant der Genietruppe zuständig für Planung und Ausbau der Festung Przemysl. Nach seinem Ausschied aus dem aktiven Dienst wurde eine der Festungen (Fort I) auf Anordnung des Kaisers nach ihm benannt.

 
Stephan Schenk | Kreuzweg
Ausstellungsansicht Galerie m Bochum, 2014
Hartmannsweiler Kopf, Vogesen, Departement Haut-Rhin, Frankreich
Tannenberg, Hohenstein, Ostpreussen Olsztynek, Woiwodschaft Ermland- Masuren, Polen
Tsingtau, Deutsches Pachtgebiet Kiautschou Qi
Tanga, Kolonie Deutsch-Ostafrika Tansania
Gorlice-Tarnów, Staszkówka, Galizien, Woidwodschaft Kleinpolen, Polen
Przemysl, Fort VII Prałkowce, Galizien Woidwodschaft Karpatenvorland, Polen
Gallipoli, The Nek, ANZAC Cove/Sarı Bayır, Türkei
Skagerrak, Nordsee, Dänemark
Verdun, Fort Douaumont, Departement Meuse, Frankreich
Somme, Thiepval, Departement Somme, Frankreich
Flandern, Hill 60, Zillebeke bei Ypern, Provinz Westflandern, Belgien
Chemin des Dames, Craonne, Departement Aisne, Frankreich
Isonzo, Caporetto/Karfreit, Julische Alpen, Kobarid, Sočatal, Slowenien
Marne, Bois Belleau/Belleau, Wood Departement Aisne, Frankreich
Stephan Schenk | Kreuzweg
Ausstellungsansicht Galerie m Bochum, 2014